Der Einbruch im Ausbildungsmarkt: die Region in höchster Alarmbereitschaft

Experten warnen bereits seit Jahren vor den massiven Folgen des Fachkräftemangels und dem damit einhergehenden Wirtschaftseinbruch. Die aktuellen Ausbildungszahlen erschrecken die Region und stellen uns vor die Frage: verliert das Oldenburger Münsterland seine Wirtschaftsmacht?

Zum Stichtag 30.06.2021 sind auf Kammerebene Oldenburg insgesamt 1.333 neue Ausbildungsverträge zu verzeichnen. Dies ist ein deutliches Minus von knapp 15 Prozent (1.560 im Vorjahr). Auch die Landkreise Cloppenburg und Vechta spüren diesen Einbruch extrem. So zählt der Landkreis Cloppenburg 269 Ausbildungsverträge (Minus 16,8 Prozent) und der Landkreis Vechta 227 neue Verträge (Minus 23,1 Prozent).

Die Zahlen spiegeln ein deutliches Bild wieder: Gewerkeübergreifend ist ein Abwärtstrend im Oldenburger Münsterland zum Stichtag 30.06.2022 zu verzeichnen. Im Bau- und Ausbaugewerbe konnten 113 Ausbildungsverträge geschlossen werden (119 Verträge im Vorjahr), im Elektro- und Metallgewerbe sind es heute 266 Verträge (346 Verträge im Vorjahr) sowie 38 neue Verträge im Holzgewerbe (61 Verträge im Vorjahr). Insgesamt zählt die Region aktuell 496 abgeschlossene Ausbildungsverträge im Handwerk, 2021 waren es noch 634 abgeschlossene Verträge.

„Der Fachkräftebedarf der Region ist und bleibt hoch, was sich ja auch in der weiterhin hohen Ausbildungsbereitschaft der Betriebe widerspiegelt. Eine duale Ausbildung bietet einen guten Einstieg in das Berufsleben“, erklärt Tina Heliosch, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Vechta.

Das Oldenburger Münsterland ist durch seinen hohen Anteil an Arbeitnehmern aus dem Handwerk eine echte Handwerksregion. Aber was geschieht mit der Region, wenn wir unsere Wirtschaftsmacht – das Handwerk – verlieren?

Die Vertreter/-innen der Kreishandwerkerschaften und der Agentur für Arbeit sind sich einig: Die aktuellen Zahlen für den Ausbildungsmarkt in der Region sind höchst alarmierend und beängstigend. Die Nachwuchskräftegewinnung heute ist von elementarer Bedeutung um die Wirtschaftlichkeit weiterhin zu sichern. Erleben wir auch in den kommenden Jahren einen weiterführenden Abwärtstrend stehen sowohl die Handwerksbetriebe als auch die Bürger/-innen vor massiven Problemen und Fragen: Wie können die Unternehmen ohne passenden Nachwuchs weiter bestehen? Wird der Hausbau zukünftig ohne Fachpersonal unmöglich? Wird das vielfältige Angebot an Handwerksbetrieben und Dienstleistungen weiterhin bestehen?

„Das Handwerk ist ein sicherer Grundstein für die berufliche Zukunft“ erklären Günther Tönjes (Kreishandwerksmeister Cloppenburg) sowie Dirk Mrotzek (stellv. Kreishandwerksmeister Vechta). Auf die fundierten Grundlagen der Ausbildung können junge Nachwuchskräfte durch passende Weiterqualifizierungen Ihre Karriereleiter aufbauen.

„Und eins ist sicher: Das Handwerk ist und bleibt von großer Bedeutung für die Region und Ihre Bürger/-innen. Die Nachfrage in allen Gewerken nimmt stetig zu – dafür bedarf es aber auch Fachexperten, die Ihre Ausbildung absolviert haben“ erklären die Anwesenden einstimmig.

„Das Handwerk kämpft seit mehreren Jahren mit der Herausforderung Nachwuchskräfte zu gewinnen und damit einhergehend auch der Fachkräfteproblematik. Es gibt zu viele Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden können. Handwerksbetriebe müssen sich daher – ob Sie wollen oder nicht – mit den Zukunftsfragen auseinandersetzen: Wie kann ich mehr Auszubildende und Fachkräfte gewinnen? Welche Folgen hat der Personalmangel für meine Auftragsbücher und mein Unternehmen? Der Verlauf des Ausbildungsmarktes ist erschreckend und beunruhigend für alle Ausbildungsbetriebe, die sogar trotz der Pandemie Ihr Ausbildungsangebot erhöht haben“ erklären Günther Tönjes (Kreishandwerksmeister Cloppenburg) und Dr. Michael Hoffschroer (Hauptgeschäftsführer Kreishandwerkerschaft Cloppenburg).

„Der erschreckende Trend der weiter sinkenden Ausbildungsverträge kann die Kreishandwerkerschaft Vechta nur bestätigen. Nach einer Umfrage zu offenen Ausbildungsplätzen, ergaben die Rückmeldungen der Handwerksbetriebe, dass insgesamt 126 Ausbildungsplätze nicht besetzen wurden.“ Ergänzen Dirk Mrotzek (stellv. Kreishandwerksmeister Vechta) und Constanze Niemöller (Passgenaue Besetzung Vechta).

Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober letzten Jahres meldeten sich im Oldenburger Münsterland 1.809 Bewerber für Berufsausbildungsstellen, das waren 76 bzw. 4,4% mehr als im Vorjahreszeitraum. Zugleich wurden dem Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur und der Jobcenter 3.078 freie Ausbildungsstellen zur Besetzung gemeldet, das waren 26 bzw. 0,9% mehr als im Vorjahreszeitraum. Mitte Juni waren 671 Bewerber noch unversorgt (7,4% mehr als im Vorjahr) und 1.676 Ausbildungsstellen noch unbesetzt (17,4% mehr als im Vorjahr).

„Wie in jedem Jahr entscheidet sich noch viel in den nächsten Wochen. Ausbildungsinteressierte sollten sich daher auch jetzt noch bei der Berufsberatung über freie Ausbildungsstellen und mögliche Alternativen informieren. Jugendliche sollten diese Chancen in den nächsten Wochen für den aktuellen Ausbildungsbeginn nutzen. Die Ausbildungsvermittlung macht keine Sommerferien“, rät Tina Heliosch, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Vechta.

In den Landkreisen Cloppenburg und Vechta sieht die Situation wie folgt aus:

Landkreis Cloppenburg: 1.055 gemeldete Bewerber/innen, davon sind noch 393 ohne Ausbildungsplatz. Gleichzeitig wurden 1.397 freie Ausbildungsstellen gemeldet, von denen zurzeit noch 757 unbesetzt sind. Besonders gute Möglichkeiten gibt es hier zurzeit noch in den Bereichen Verkauf (66 freie Stellen), Hochbau (58), Energietechnik (49), Lagerwirtschaft (44) und Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln (32).

Landkreis Vechta: Hier haben sich insgesamt 754 Bewerber/innen für eine Ausbildung gemeldet, von denen aktuell noch 278 ohne Ausbildungsvertrag sind. Zeitgleich wurden 1.681 freie Ausbildungsstellen gemeldet, von denen noch 919 unbesetzt sind. Besonders gute Möglichkeiten gibt es hier zurzeit noch im Verkauf (92 freie Stellen), in der Lagerwirtschaft (62), in der Energietechnik (51), in der Fahrzeugtechnik (43) und im Hochbau (43).

Bei der Interpretation der Daten ist zu beachten, dass sowohl die freien Ausbildungsstellen als auch die Bewerberzahlen nur bedingt die Lage auf dem Ausbildungsmarkt abbilden. Auf der einen Seite suchen wahrscheinlich mehr Jugendliche, als der Berufsberatung bekannt sind und zum anderen sind gegebenenfalls schon Stellen besetzt, jedoch beim Arbeitgeberservice noch nicht abgemeldet.

 

Interessierte Jugendliche können sich an die bekannten Stellen zur Berufsberatung und Ausbildungsplatzvermittlung wenden.

  • Passgenaue Besetzung Cloppenburg, Tel.: 04471-179-46
  • Passgenaue Besetzung Vechta, Tel.: 04441/941-140
  • Berufsberatung der Agentur für Arbeit: 04441 946-2121 oder 0800 4 5555 00.

 

Die Vertreter/-innen der Kreishandwerkerschaften und der Agentur für Arbeit verweisen die Ausbildungsbetriebe sowie auch Schüler/-innen verstärkt nochmals auf das Projekt “Praktikumswoche” hin. Schüler/-innen lernen an 5 Tagen, 5 Unternehmen und 5 Berufe kennen und haben dadurch die Chance, den Traumberuf zu finden, erste praktische Erfahrungen zu sammeln und sich sogar schon einen Ausbildungsplatz zu sichern.

Das Projekt findet im Oldenburger Münsterland sowohl bei den Betrieben als auch bei den Schülern einen hohen Anklang. Zum Stand 18.07.2022 spiegeln die Zahlen:

  • Angemeldete Unternehmen: 187
  • Angemeldete SchülerInnen: 304
  • Angenommene Praktikumstage: 633
  • Ausstehende Praktikumstage: 185

Interessierte Unternehmen und Schüler/-innen können sich hier anmelden.